FUHRE NACH SAUDI-ARABIEN

 

Meine erste Fuhre

Am Abend sagte mir unser Disponent: „Morgen um vier Uhr startest Du mit dem Auflieger da draussen nach Belgien. Da kannst du um sechs Uhr in Basel als Transit durch die Frühabfertigung über Frankreich nach Antwerpen. Auf dem Rückweg gehst du bei Ziegler Brüssel vorbei und ladest für Saudi-Arabien. Papiere und Route bekommst du alles bei Ziegler“

Bei mir ging innerlich die Post ab, natürlich hatte ich schon lange auf eine Saudi-Fuhre gewartet, aber ich dachte, ich könnte mich dann ein bis zwei Tage vorher darauf vorbereiten, aber ich wollte mir nichts anmerken lassen, ich war jetzt ja ein Profi für Orienttransporte, zwar ein blutiger Anfänger aber ein Profi. 

Damals, April 1979, war ich seit etwa einem Monat bei Schmid -Transporte Wettigen angestellt. Vorher war ich gut ein Jahr im Europa - Verkehr unterwegs. Schmid hatte ein paar Selbstfahrer und etwa drei eigene Fahrzeuge im Mittelost – Verkehr.  Das Geschäft war am abklingen, weil der Suezkanal wieder offen war. Vorher mussten die Schiffe um ganz Afrika herum fahren, wenn sie nach den arabischen Staaten wollten, was eine Verzögerung von ca. vier Wochen bedeutete. Ein Lastwagen war in fünf bis acht Tagen in Riad. Aber es gab immer noch vereinzelte Express-Ladungen für uns, die waren rund doppelt so teuer als wie mit dem Schiff, dafür immer noch zwei bis drei Tage früher dort.

Jetzt war ca. 18:00 Uhr und ich musste noch alles packen, denn ich war anschliessend für etwa einen Monat unterwegs. Aber vorher sollte ich noch zum Buchhalter ins Büro, um das Spesengeld entgegenzunehmen. Der Buchhalter sass am Pult und ich gegenüber, er holte einen Stapel Hunterternoten aus dem Tresor und fing an zu zählen: 1, 2, 3, . . . 1000,   1, 2, 3, . . . 2000  bis Zehntausend. Dann das ganze Bündel in ein Couvert und hielt mir eine Quittung hin : „Hier noch unterschreiben.“ Dann konnte ich nach Hause. Ich kam mir komisch vor, 10’000.- Fr. in der Hose, damals wohnte ich noch in Zürich an der Josefstrasse, mitten im Puff. Zuerst noch in die Migros am Limmatplatz ein paar Konserven und sonst nötige Sachen posten und dann packen. Am Hauseingang stand schon das hübsche Strassenmädchen, hau, wenn die wüsste, wie viel Kohle ich in der Tasche habe, aber mit Stoppelbart und dreckigen Jeans sah ich nicht danach aus.

3:00 Uhr, mein Wecker piepst, ich bin schnell auf, war mich ja gewohnt, Kaffee machen, essen mag ich nichts und dann mein Köfferli und zwei Plastikbehälter mit Proviant, Gaskocher und sonstigen nötigen Utensilien ins Auto und ab nach Wettingen. Um 3:50 Uhr sitze ich im Lastwagen und lasse die Maschine langsam warmlaufen und fülle Fahrtenbuch und Tachoscheibe aus. Man hat mir „Dem Schmid sein Wüstenbock“ anvertraut. Das ist ein komisches, sandgelbes Fahrzeug, Mercedes 22-26, war früher mal ein WELAKI der umgebaut wurde. Man hat eine Schlafkabine angeschweisst und eine verschiebbare Sattelkupplung montiert. Es war ein Dreiachser mit zwei angetriebenen Achsen und 260 PS. Er hatte eine Schnauze und auf der Kühlerhaube Klappen zum öffnen, damit die Hitze weg konnte. Es war glaube ich das einzige solche Fahrzeug in der Schweiz, dafür kannten es fast alle Chauffeure unterwegs und ich hatte dadurch immer schnell Kontakt mit andern.

 

Und los geht’s auf die Autobahn Richtung Basel. Aber zuerst noch über den Bötzberg, die Autobahn war noch nicht durchgehend. Um halb sieben bin ich schon in Frankreich und es geht Richtung Luxembourg, dort Diesel tanken und weiter über die Ardennen nach Antwerpen. So um 20 Uhr bin ich da und die Verzollungsagentur hat noch auf, so dass ich die Papiere noch abgeben kann, dann kann ich am Morgen gleich im Hafen abladen, denn gegen Mittag sollte ich in Brüssel sein bei Ziegler.

In ein bis zwei Stunden sind die Zollpapiere erledigt, und ich kann in dieser Zeit bei einem Chinesen ein Nasi-Goreng essen. Hier sind die Chinesen immer sehr günstig, ganz freundlich und haben die saubersten Toilletten.

Mittlerweile kenne ich mich aus in Antwerpen, aber als ich das erste mal in diese Stadt fuhr, war ich völlig überzeugt, dass man eine fremde Stadt am besten von innen nach aussen kennen lernt. Also zuerst mitten ins Centrum und dann in die Aussenviertel, dann weiss man immer auf welcher Seite man ist. Das habe ich hier auch so gemacht, vier Spuren, in der Mitte das Tram und immer Richtung Centrum. Dann zeigte der Wegweiser links, Centrum, das Tram bog auch links ab und ich hinterher. Wo ein Tram durchkommt komme ich mit 4oTonnen auch duch. Aber dann fuhr das Tram durch einen Bogen, so wie ein Stadttor, nur noch Schienen und die Strasse ging nach links und wurde immer schmaler. Links und rechts waren PW’s parkiert.
(Damals hatte ich einen alten Büssing mit 3-Achs-Anhänger, also einen klassischen Überländer. )



Mit diesem Anhängerzug geriet ich in die Klemme in Antwerpen.
(MAN-Büssing, Unterflurmotor 190 Ps)


Eine Bar reihte sich an die andere und zwischendurch rot beleuchtete Fenster mit halbnackten Mädchen. Ich aber konzentrierte mich nur noch auf meine Rückspiegel, um zu sehen wie wenig Raum zwischen meinem Anhänger und den parkierten Wagen noch blieb. Nach ein paar Kurven bog dieses Gässchen fast rechtwinklig ab. An rückwärts fahren war nicht zu denken und so war ich total blockiert. Ich ging in die Bar an der Ecke und fragte, wem diese fünf Autos gehörten, ich hätte da ein Problem. Es war ein nasskalter Winterabend und die Leute am Tresen, fast alles Männer, tranken ihr Feierabend Bier. Etwa sieben Leute kamen mit raus und diskutierten heiter bis aufgeregt auf flämisch, was man jetzt wohl am besten tun könnte. Sie wollten, dass ich den Anhänger löse und ihn von Hand um die Ecke manöverieren. Ich hängte ab und fuhr vor. 
Voll motiviert und mit lautem Gelächter rissen vier Männer an der Deichsel und drei stiessen hinten, aber der 22-Tonnenanhänger  bewegte sich keinen Zentimeter auf diesen Pflastersteinen. Gut war es schon ziemlich dunkel, denn so ein gut gefetteter Deichselknauf hinterlässt deutliche Spuren von Karrenschmiere an Händen und Kleidern. Man sah es deutlich, aber ich sagte nichts. Man will doch diesen hilfsbereiten Burschen nicht noch ihr eigenes Problem in ihr Bewusstsein rufen, sie hatten ja  mit  meinem schon genug zu tun. Ich fuhr wieder zurück und hängte den Anhänger in einem etwas günstigeren Winkel an, während meine lieben Helfer vier Autos halb aufs Trottoir hievten. Zu meinem Erstaunen konnte ich schon fast um die Hausecke vorziehen, aber zwischen Hinter- und Vorderachse war noch ein Mini-Cooper, der fast unter dem Anhänger ruhte. Aber meine kräftigen Freunde, stellten diesen kurzerhand in die Einfahrt einer Tiefgarage. Und tatsächlich konnte ich um die ganze Ecke rumziehen. Nur wusste ich noch nicht, wo ich hier wieder rauskomme.
Zwei dieser Kumpels hatten ihr Auto weiter vorne stehen und fuhren mir voraus. Sie lotsten mich bis zu meiner Abladeadresse am andern Ende der Stadt. 
Also dieses Centrum kenn ich nun gut und weiss jetzt auch wie ich es sicher umfahren kann.
 

Nach dem Abendessen kehrte ich zurück und als ich die abgefertigten Dokumente wieder erhalten habe, es war schon nach 22 Uhr, fuhr ich an das Pier, an dem ich abladen musste und schlief dort vor dem Tor. Wenn dann am Morgen die ersten Hafenarbeiter rein wollen, wecken sie einen mit klopfen und fluchen und so ist man relativ schnell wach und auf. Alles ging zügig und noch vor dem Mittag schickte mich der Lagerchef von Ziegler zu einem Sanitärgrosshandel, um ein paar Tonnen Rohr-Fittings zu laden. Es waren alles gebundene Karton-Paletten. Im Lagerhaus kamen noch Waschmaschinen und Gasherde dazu und viele kleine Einzelpakete. Alles war für dieselbe Baustelle in der Nähe von Riad bestimmt. Die Ladung hat nur etwa 11Tonnen, das gibt ein Gesamtgewicht von ca. 25t.  Das ist leicht, da kommt man schnell voran und durch die Schweiz hat man kein schlechtes Gewissen, wegen der 28t–Grenze. Bei Ziegler ist ein Zöllner anwesend und der plombiert die ganze Ladung. Das heisst, es wird um das ganze Blachengestell ein Drahtseil durch alle Ösen geschlauft und beide Enden miteinander verbunden und plombiert. So kann ich bis zum Saudi-Zoll unter Verschluss fahren. Wichtig ist, dass die Plombe hält und kein Riss in der Blache ist, sonst hat man Schwierigkeiten an der nächsten Grenze. Alle Grenzübergänge sind vorgegeben.
Weil die Ladung mehr als 100'000.-Fr Wert hat, darf ich nicht über Italien und muss den Umweg durch Österreich machen. Das sind Versicherungsvorschriften, weil in Italien, alles was Wert hat geklaut wird. Also heisst die Route: Brüssel-B-Lüttich-D-Basel-CH-St.Margarethen-A-Maribor-JU-Gevgeljia-GR-Vollos. Von hieraus mit der Fähre nach Latakia Syrien, am libanesischen Niemandsland vorbei und durch Jordanien bis an die Saudi-Grenze.

Am späten Nachmittag geht die Reise los und alles läuft gut. Ich mach mir schon so meine Gedanken, ob ich den andern Camion von Schmid in Griechenland auch wirklich treffe. Der ist ein Tag früher los, aber sollte auf die selbe Fähre wie ich. Remond sollte mir dann alles erklären, wie das so läuft da unten. Und ich solle ja nicht versuchen den Weg durch Damaskus alleine zu finden, das sei unmöglich. Und das Büro in Vollos für die Zollpapiere sei leicht zu finden, wenn man wisse wo. Mit dem Kopf voll solcher wertvoller Tip’s , die ich nicht vergessen darf, tuckere ich durch die Nacht und so gegen vier Uhr reihe ich mich ein, in die Kolonne in Weil am Rhein. Leider erwache ich erst, als mich schon etliche LKW’s überholt haben, aber das ist das schöne an solchen Touren, da kommt’s auf eine Stunde mehr oder weniger nicht drauf an. Als ich dann durch Zürich fahre, benütze ich die Gelegenheit bei mir zu Hause schnell vorbei zu gehen und meine Pocketkamera und ein paar Musikkassetten zu holen. Ich belege gleich die ersten fünf Parkplätze vor dem Haus an der Josefstrasse. Das war ein Riesenglück, sonst ist da selten auch nur einer frei.

Noch schnell zur Bank um Geld zu wechseln, 3000.-Fr. für D-Mark und 1000 Dollar. An einigen Zollämtern ist Schweizergeld nicht so bekannt und es ist daher billiger, wenn man das Schmiergeld in Mark oder Dollar bezahlt. Ohne Bakschisch läuft oft gar nichts. Es gab Selbstfahrer die sind bis neun Tage am Zoll gestanden und haben dann doch die 450.-Fr. bezahlt, natürlich ohne Quittung und wie durch ein Wunder waren plötzlich alle beanstandeten Dokumente in Ordnung. Aber unser Patron kannte das und wusste auch die Höhe der Beträge, die üblich waren. Es gab auch immer Chauffeure, die mehr aufschrieben und so für sich selbst ein Geschäft machen wollten. Bald bin ich in Österreich und fahre den ganzen Tag bis kurz vor Graz, da parkiere ich an der Strasse in der Nähe einer Café/Conditorei. Am Morgen, wenn ich aufwache kann ich dann Kaffee und frische Brötchen geniessen.
Am nächsten Tag, oh du Scheisse, diese blöde Bäckerei hat ausgerechnet am Freitag zu. Da fahr ich halt noch ein Stündchen bis zur Grenze und nehme dort ein Frühstück, so richtig gemütlich, stehend draussen im Biswind vor einem Imbisstand, ein Kunststoffbecher der einem die Pfoten verbrennt und so in Plastik verschweisstes Knabberzeugs, das war der Aufsteller für heute, es kann nur besser werden.
In Jugoslavien, damals noch vereint, verlangen sie über 700.-Fr. Transitgebühren und die Polizisten sind eher Strassenräuber. Die verfolgen einem von hinten, überholen und zwingen dich zum anhalten. Jetzt kassieren sie  eine Busse wegen zu schnellem Fahren. Die haben keinen Radar, sie verlangen einfach Geld, egal wie schnell man gefahren ist, da nützt auch die Tachoscheibe nichts, die sei sowieso manipuliert. Man soll möglichst lange mit ihnen diskutieren und zuerst eine Quittung verlangen und nach einer Weile eine Zwanzigernote hinstrecken und einsteigen, meistens seien sie dann zufrieden und geben auf. Ich hab Glück, durch ganz Jugoslavien sehe ich keinen einzigen Polizisten.
Weil ich sehr wenig Fotos habe, zeige ich einige Banknoten. Es sind Restbeträge, die ich in einer Schublade aufbewahrt und vergessen habe.


                       

 

Jugoslavische Dinar

 

4. Mai 1980

Jugoslawiens Staatschef Josip Broz „Tito“ stirbt im Alter von 88 Jahren. Ein kollektives Staatspräsidium (mit jährlich wechselndem Vorsitz) übernimmt die Führung in Belgrad.

 

Zuerst  geht’s durch die schöne Landschaft bis Zagreb und dann wird’s flach und eintönig auf dem Autoput nach Belgrad und weiter nach Skopje. Hier ist es wieder gebirgig und interessant. An der Grenze nach Griechenland schlägt das Klima schlagartig um. Nach dem lahmen Prozedere auf der Jugo-Seite lacht einem der griechische Zöllner entgegen und ruft: „Hallo Helvetica“! Er fängt an zu plaudern und erzählt von Deutschland, wo er einmal gewesen sei und wohin ich denn wolle und die ganzen Dokumente will er gar nicht sehen. Er wünscht  mir eine gute Reise und winkt und lacht hinterher. Es ist spürbar wärmer, die Sonne scheint, in den Feldern stehen Olivenbäume und man bekommt zwangsläufig eine gute Laune. Kurz vor Thessaloniki geht’s rechts weg nach Vollos. Ich bin mir nicht sicher und frage im nächsten Dorf nach dem Weg. Die Leute geben gerne und freundlich Auskunft und ich verstehe kaum ein Wort. Ich fahre einige Kilometer zurück  und an einer Kreuzung sehe ich den Wegweiser nach Vollos am Boden liegen. Jetzt ist wieder alles klar und in kurzer Zeit bin ich im Hafen von Vollos. Das ist ein kleines Dorf mit einigem Tourismus. Am Quai ein Restaurant am andern, im Centrum enge Gassen, Geschäfte und Bar’s. Und irgendwo in diesem Getümmel ist mein Büro für Verzollung. Im Hafen hab ich den Andern Schmid-Camion entdeckt aber der Fahrer war nicht zu finden. Da ging ich mal in Richtung Städtchen und in die erste Bar um zu verschnaufen und eins zu trinken in der Hoffnung Remond zu finden. Er war nicht dort, dafür ein anderer Schweizer Chauffeur der mich anschliessend zum Zolldeklarant begleitete.  Hier muss man etwa 2000.-Fr. bezahlen, die müssen die ganzen Papiere ins arabische übersetzen und das nennt sich dann „Manifest“, und man bekommt die Platzkarte für die Fähre. Auf dem Rückweg zum Hafen begegnet uns Remond und meldet, dass in zwei Stunden die Fähre beladen wird. Da bleibt gerade genug Zeit zum Nachtessen. Wir gehen zu dritt in ein Restaurant an der Flanierstrasse ganz am Meer und geniessen in Ruhe eine Pizza und ein Krug voll Wein. Hier werden Geschichten und Erlebnisse von früher und von gemeinsamen bekannten Fahrern ausgetauscht.

 

    

Griechische Drachma

1. Januar 1981
Griechenland wird zehntes Vollmitglied der Europäischen Gemeinschaft.

 

Als wir im Hafen ankommen sind die meisten Fahrer schon mit laufendem Motor bereit, und jeder möchte möglichst sofort aufs Schiff. Wer sein Fahrzeug auf Deck hat, kann eine Koje suchen und sich aufs Ohr legen. Es ist ein wildes Durcheinander von vielen Sprachen zu hören. Es sind fast alle Länder vertreten von Frankreich, Spanien, Italien über Balkan bis Türkei und auch Syrer und Jordanier. Schön sind auch die Lastwagen der Griechen und Türken, meist uralt aber mit Liebe gepflegt und immer leuchtend farbig angemalt mit Verzierungen. Auch die Piloten sind bunt gemischt, die Araber zum teil mit Jesusgewändern und Arafat-Tüchern um den Kopf, andere in Arbeiterkleidern und solche in Ausgangsschale. Aber hier an der Fähre zeigt sich auch wer fahren kann und wer nicht. Es hat drei Stöcke und schmale Rampen und meist muss man retour auf Deck fahren, weil zum Wenden kein Plaz ist. Ein drahtiger Typ, ganz in schwarz mit Cowboy-Stiefeln und Schnauz wie ein Gringo, übt schon seit 40 Minuten um seinen Anhängerzug in den oberen Stock zu fahren und schafft es einfach nicht. Endlich kommt ein kleiner dicker hässlicher Kerl, offenbar ein Bekannter vom Cowboy, setzt sich ans Steuer und stellt die Karre rückwärts, centimetergenau in einem Zug in die letzte freie Lücke. Alle klatschen und sind froh, dass es endlich weiter geht mit laden. Ich muss retour nach unten, aber mit dem Sattelschlepper habe ich keine Probleme.

Irgendwann in der Nacht sind wir losgefahren, aber ich hab tief geschlafen. Es sind vierer Kabinen, eng mit WC und Dusche draussen im Gang. Am Morgen geh ich mal das Schiff anschauen, alles ist weiss angemalt und spartanisch einfach. Die Kantine weiss mit Kunststofftischen und Plastikstühlen. Zum Frühstück gibt’s Brötchen von Vorgestern und ein Stück Feta mit Kaffee. Ich komme mir wie gefangen vor, wenn man zweimal rund ums Deck gegangen ist, hat man es gesehen und rundherum ist Wasser. Alles so langweilig, so  weiss und das ständige Brummen und Vibrieren nervt mich. Hier gibt es keine normalen Passagiere und deshalb auch keinen Luxus wie Swimmingpool oder Liegeterrasse. Auch das Essen ist einfach aber gut, ein Teller Teigwaren mit Gulasch und ein Apfel zum Dessert. Die Überfahrt dauert 2 1/2 Tage. Am Mittag des zweiten Tages taucht mein Kojennachbar auf und setzt sich mit Heisshunger an den Tisch und fragt was für ein Tag den heute sei. Der hat tatsächlich 36 Stunden durchgeschlafen.

Den Nachmittag verbringen wir mit Jassen und Plaudern. Zwei Franzosen müssen nach Al Jubail. Die haben Glasfenster geladen, die mit Gas gefüllt sind. Die durften nie höher als 600 m über Meer, weil sonst die Fenster, wegen dem niedrigen Luftdruck zerspringen. Die sind in Frankreich der ganzen Cote d’Azur entlang gefahren, immer schön dem Meer entlang. Ein Ostschweizer nach Qatar und Remond nach Jeddah, also bin ich nach Ryadh allein unterwegs, darum lass ich mir den Weg genau erklären. Das sei ganz einfach: Vom Zoll 1000 km geradeaus, dann 2 tote Ploizisten (das sind vor Kreuzungen so Betonschwellen quer über die Strasse) dann nach rechts abbiegen und 300 km geradeaus.  Danach sei Ryadh angeschrieben auf den letzten 500 km. Ich merk mir das gut, aber kann mir nicht viel darunter vorstellen.

Am nächsten Morgen  sieht man schon den Hafen von Latakia, eine kleine Stadt in Syrien. Wir müssen bis am Nachmittag vor dem Hafen warten bis wir anlegen können. Dann geht alles sehr schnell, kaum ist die Rampe unten fahren schon die ersten Wagen an Land. Auch ich fahre den andern nach, aber nur etwa 500m, dann parkieren auf einem grossen Platz, aber so dass man möglichst eine Ausfahrt hat. Im Nu ist der ganz Platz kreuz und quer mit Fahrzeugen verstellt. Jetzt heisst es wieder warten auf die Papiere, oder besser auf die Manifeste, die beim syrischen Zoll liegen.

Wir Schweizer gehen ins Strassencafé und schauen dem abendlichen Treiben zu. Zuerst kommen diverse fliegende Händler mit Zeitungen, Musikkassetten, dann Glace und Pistazien, auch Wasser wird aus Plastic-Kannistern verkauft. Natürlich Schuhputzer und Friseur sind auch auf Kundensuche. Einer von uns lässt sich rasieren. Der Barbier hat alles dabei. Handtuch, Pinsel und Seife und eine Flasche Wasser. Erst Schaum anrühren, dann Messerwetzen an einem Riemen, nun das ehemals saubere Handtuch umbinden und jetzt wird geschabt. Und man kann immer am Tisch sitzen bleiben. Ein Kollege hat erzählt: im selben Café habe er zugeschaut, wie einem eine Goldkrone verpasst worden sei. Der habe mit einem kleinen Meissel und Hämmerchen an dem Zahn herumgepickelt und dann eine passende Krone aufgesetzt. Dann ein Holz zwischen die Zähne und mit beiden Händen den Kiefer zudrücken, das Blut rausspucken und die Krone sitzt.

 

      

Eine syrische 5 Pfund Note. Manchmal so lumpig wie ein Nastuch.
(Vorderseite arabisch, Rückseite englisch)


Mitte 1953

  • Syrien ist der erste arabische Staat, der Gesetze zur Polygamie erläßt: Ein moslemischer Ehemann muß, wenn er eine zusätzliche Hochzeit wünscht, bei Gericht eine Genehmigung einholen. Grundbedingung: der Nachweis für die finanziellen Mittel zum Unterhalt der Zweitfrau. Auch für eine Scheidung, bei der sich das traditionelle islamische Recht männlicherseits mit dem dreimaligen Aussprechen der Formel „Ich verstoße dich!“ begnügt, müssen sich Syrer eine behördliche Bewilligung besorgen.

    ١٢٣٤٥٦٧٨٩٠

    1 2 3 4 5 6 7 8 9 0

    Immer wieder fahren alte Lastwagen, so Jahrgang 1935 vorbei. ( Die waren damals also gut vierzig Jahre alt und kaum Rost.)  Auffällig sind die geflickten Pneus. Da wird einfach ein Stück von einem alten Reifen mit ca. 40 Schrauben über den Riss im neuen Pneu montiert und ein Schlauch aufgepumpt, offenbar hält diese Reparatur. Jeder zweite Lastwagen ist so geflickt. 

    Kurz vor Sonnenuntergang rennt einer gestikulierend und ununterbrochen referierend auf uns zu. Ein Kollege sagt ganz ruhig: „Er will nur sagen, dass die Papiere fertig sind.“

    Und richtig, im Zollbüro liegt der ganze Haufen parat. Und nun geht’s los Richtung Tarabulus (Tripolis), dann bei Tartus von der Küste weg, alles an der libanesischen Grenze entlang nach Homs. An der Grenze zum Libanon, es ist schon Nacht, ist ein belebter, riesiger Markt. Etwa 5 Kilometer lang ist eine Zollfreie Zone. Fast nur Tabak, Schnaps und Uhren werden angeboten. Kurz vor Damaskus stellen wir die Laster abseits der Strasse ab und schlafen bis am Morgen. Es ist nicht mehr so weit bis zur jordanischen Grenze. Aber die labyrinthartige Stadt liegt noch vor uns. Unser Disponent erzählte mir, er sei viele male da unten gewesen, und beim fünften Mal wollte er es alleine versuchen durch Damaskus zu fahren, aber er habe es nicht geschafft. Ich solle unbedingt vor der Stadt warten, bis ein anderer Europäer komme und mich an ihn hängen, die fahren alle Transit durch.

    Am andern Morgen, kaum richtig wach, fahren wir alle los und schon sind wir auf der Hauptstrasse Richtung Zentrum. Man muss über sieben Kreisel mit jeweils fünf bis neun Ausfahrten, und wehe man erwischt die falsche. Wegweiser nützen nichts, entweder arabisch oder Orte die man nicht kennt. Vielleicht zweimal steht Jordan angeschrieben, aber da soll man nicht lang, weil eine zu kleine Brücke oder sonst ein Hindernis im Weg sei. Ich versuch auswendig zu lernen und Notizen zu machen. 1. Kreisel dritte Ausfahrt, 2. Kreisel bei Moschee raus, 3. Kreisel gerade aus usw. Dann Baustelle, Umleitung und ich fahr einfach den andern nach und hab die Orientierung schon völlig verloren. Irgendwann ist man auf einer Anhöhe in einer wunderschönen Landschaft und dann weiss du, Damaskus ist hinter dir. In ca. zwei Stunden sind wir am jordanischen Zoll angekommen. Kaum angehalten, kommen ein paar 12-15jährige Burschen an die Türe und sprechen in allen Sprachen  ein paar Worte. Sie wollen die Zolldokumente zur Abfertigung bringen. Ich zögere, aber die Kollegen sagen, es sei ok, und das ist wirklich ein super Service für 2-3 Franken.

    Auf diesem Fünf-Dinar-Schein ist König Hussein abgebildet.

  •        
    5. Februar 1999

    Nach einer gescheiterten Knochenmarksübertragung in den USA fällt König Hussein II. ins Koma und wird – inzwischen nach Jordanien zurückgebracht – nur noch durch medizinische Apparate am Leben erhalten.

    7. Februar 1999

    König Hussein II., der 46 Jahre lang die Geschicke Jordaniens gelenkt hat, stirbt nach dem Abschalten der medizinischen Apparate in Amman an Herzversagen. Bereits wenige Stunden später wird sein Sohn Abdullah vom jordanischen Parlament als neuer König vereidigt. In seiner ersten Amtshandlung ernennt der 37jährige seinen Halbbruder, den 19jährigen Prinzen Hamsa, zum neuen Thronfolger. In einer über Radio und Fernsehen landesweit übertragenen Traueransprache verspricht der neue Monarch, die Politik seines Vaters fortzusetzen.

    8. Februar 1999

    Hunderttausende Jordanier und Trauergäste aus aller Welt geleiten den verstorbenen König Hussein II. auf seinem letzten Weg. An den Begräbnisfeierlichkeiten in Amman nehmen u.a. auch eine große Delegation aus Israel sowie der syrische Präsident und bisherige Erzfeind Husseins II., Hafiz Al-Assad, teil. Auch Palästinenserpräsident Yasir Arafat salutiert am Sarg seines früheren Feindes Hussein.

     

    Ich kann mir einwenig die Beine vertreten und beim Wagen bleiben, es hat eine etwa 300m lange Kolonne bis zum Zollhäuschen. Nach einer halben Stunde kommen die Kinder angerannt und die Papiere sind gestempelt. Wir fahren wieder los. Zuerst durchs Städtchen Al Mafraq und dann Richtung Turyf etwa 300 km. Hier fährt man an riesigen, bewässerten Plantagen und Kulturen vorbei, aussen rum ist eigentlich nichts als karge Erde. In Turyf erwartet uns ein riesiger Zollhof. Wir werden an einen Platz gewiesen und nun beginnt das grosse Warten. Wir machen mal einen Spaziergang und schauen uns um. Es fallen uns einige halb zerüttete Sattelschlepper und Anhänger auf. Zum Teil aufgeschweisste Seiten, man sieht deutlich den Hohlraum vom doppelten Boden ca. 10 cm oder eine zweite Stirnwand im Auflieger 50cm zurück. Das seien alles Schmuggler-Fahrzeuge erklärt uns der Ostschweizer, der schon einige Male hier war. In Saudiarabien herrscht absolutes Alkohol- Waffen- und Sex-Verbot. Und die extremen Strafen wie Hände oder Zunge abhacken gelten heute noch.

    Das Zollareal ist weitläufig, wir kommen bei den WC Anlagen vorbei. Es sind solche mit einem Loch im Boden wie früher in Italien. Kein Papier, dafür ein kurzer Wasserschlauch, da kann man sich auch gleich  duschen, denn sonst gibt’s nichts derartiges mehr hier. Ein Laden wo man alles kaufen kann, Lebensmittel, Zigaretten, Werkzeuge, sogar Exbier aus der Schweiz. Alk gibt es nicht, dafür eine riesige Auswahl an Fruchtsäften und Limonaden. Ich kauf ein paar Ansichtskarten und Wasser. Hier kostet 2 Liter Wasser 3.-Franken dafür 100 Liter Diesel nur 4.-Franken. Die meisten haben grosse Zusatztanks an ihren Fahrzeugen. Ich hab auch 400Lt an der Zugmaschine und 8ooLt  unter dem Auflieger. An der nächsten Tankstelle wird mal 1000 Liter für 40.- Fr. aufgetankt.

    Doch mindestens 1-2 Tage dauert das Zollprozedere. Man muss das Ganze Fahrzeug aufdecken, Plache rauf und Seitenladen runter und irgend einmal kommt ein Saudi mit rotem Kopftuch und bezeichnet mit einer Kreide eine Kiste oder einen Sack oder etwas, das er anschauen will. Dann muss dieses abgeladen werden und es wird alles auseinander gerissen, sämtliche Verpackungen. Meist sind die Kisten, die sie sehen wollen, in der Mitte und zu unterst, so dass man alles, was oben ist, zuerst abladen muss. Einen Kran gibt es nicht . Einzig ein Pneu-Hubstapler und viele Pakistani, die man für wenig Geld mieten kann. Ich muss drei Kisten zeigen, natürlich die untersten. Nach vier Stunden mit Stapler und zwei Pakistani ist es geschafft. Neben uns haben sich Libaneser aufgestellt. Die haben fast alles Kühlwagen mit Gemüse oder Fleisch. Die müssen rückwärts an die Rampe und der Zöllner zeigt links, rechts oder Mitte. Dann wird ein 14m langer Gang frei gemacht, bis der Zöllner die Stirnwand des Kühlaufliegers berühren kann. Das Gemüse oder tiefgefrorene Fleisch wird in den Schatten einer Betonhalle deponiert. Ein paar Stunden später wird es dann wieder gekühlt.

    Die Libaneser laden uns in der Mittagspause ein zum Essen. In einem Grossen Blechbecken ist frischer gemischter Salat, Tomaten, Gurken, Zwiebeln, Oliven, Endivien, halt einfach von allem, was auf der Rampe so deponiert ist. Dazu gibt’s Fladenbrot, das in Stücke gerissen wird und mit dem Brotfetzen reicht man in die Schüssel und umgreift den Salat. Sie haben auch noch Fleisch mit Sauce, das mit der selben Technik gegessen wird, so braucht man kein Besteck. Es sind drei ganz fröhliche Typen, die jede Woche mit Gemüse vom Libanon nach Ryadh fahren.
    Am dritten Tag steh ich immer noch da, den ganzen Tag herumsitzen und warten macht einem fertig. Rund um den Arealzaun weiden etwa fünf Kamele, es hat nur vereinzelte Grasbüschel und sonst nichts als braune Erde, soweit das Auge reicht. Auch keine Berge, alles flach.

    Endlich am Abend inspiziert ein Saudi meine aufgerissenen Kisten. Rohr-Fitting und Küchenutensilien wie Pfannen, Messer, Schöpflöffel. Als er sich bis zum Boden der Kiste gewühlt hat, gibt er ein Zeichen, man könne jetzt wieder aufladen. Also den ganzen Gerümpel wieder in die Kiste, dann  mit dem Pneulader und Anlauf, die auseinanderklaffende Kiste wieder in die jetzt zu kleine Lücke auf dem Camion. Es tönt nach brechen von Porzellan, aber Hauptsache die Kiste ist wieder oben. Das ganze Gebinde mit dem Rohrzubehör wird einfach über die Ladung gekippt, so wie Parmesan über die Spaghetti. Dann die Plache wieder zumachen und am Morgen, wenn das Tor öffnet geht’s los.

    So gegen halb Neun am Morgen kommen die Saudis angefahren in einem riesigen AMI-Schlitten. Etwa sieben Zöllner steigen aus, aber es hätten doppelt so viele Platz. Diese Saudis sind so dünne kleine Wichte, mit eigentlich hübschen Gesichtern, wenn sie sich nur nicht so arrogant benehmen würden.

    Doch nun ist das Tor auf und ab die Post.

    Ich stelle den Kilometerzäher auf Null und bei Tausend muss ich rechts weg. Ich sehe im Rückspiegel die orangen jordanischen Schlepper. Die gleichen Zugmaschinen wie „Dem Schmid sein Wüstenbock“. Die haben einen Eisenauflieger mit 27 Tonnen Leergewicht, 8 Tonnen Zugmaschine und 55 Tonnen Stahl geladen. Die dürften in der Schweiz nicht einmal leer herumfahren, bei 35 t Gesamtgewicht. Bis die auf eine vernünftige Geschwindigkeit kommen, bin ich schon längst verschwunden. Die Strasse begleitet eine Pipeline die überirdisch verlegt ist. Zwei riesige Röhren immer so 50m neben der Strasse. Immer das gleiche Bild.

    Nach einer halben Stunde, ca. 50km, sehe ich im Rückspiegel kleine orange Punkte. Ganz langsam werden die immer grösser. Das sind die Jordanier, gleichviel PS aber dreimal soviel Gewicht, doch bei uns sind 1100er Reifen normal, die haben 1200er, das heisst bei 2400 Touren haben sie eine 1/11 höhere Geschwindigkeit als ich, brauchen aber fast eine Viertelstunde, um in volle Fahrt zu kommen. Bald sind sie am Überholen, ich geh ein wenig vom Gas, damit sie nicht 3 km neben mir herfahren müssen. Nach ca. einer Stunde kommt eine Tankstelle. Eine kurze Pause, etwas trinken und auftanken, aber nur die Zugmaschine, den grossen Tank füll ich erst auf dem Nachhauseweg.

    Die Jordanier haben eine längere Pause gemacht und deshalb fahre ich vor ihnen ab. In einer halben Stunde wiederholt sich das gleiche, sie kommen langsam näher von hinten und überholen wieder. Höher als 2400 Touren (knapp 100 km/h) darf ich nicht fahren, sonst kann die Zylinderkopfdichtung kaputt gehen.

    Es ist ein gutes Gefühl, so dahin zu tuckern. Ich bin total ausgeruht, höre meine Oldie’s Kassetten, kaum Verkehr auf der Strasse, stundenlang geradeaus, durchs Fenster weht ein warmer Wind, das Kühlerwasser ist bei 105°C angelangt , also frieren tut man nicht. Die Klimaanlage hat spätestens seit Syrien den Geist aufgegeben, denn durch die Vibrationen der Naturstrassen, lösen sich fasst alle Verschraubungen der Kühlleitungen und das Kühlmittel verdampft nach aussen. Dabei war es bis auf die Fähre noch gar nicht richtig heiss.

  • Ich bin so gemütlich am rollen, da gibt es plötzlich einen Knall, mich schleudert es hoch zur Decke und falle mit dem Oberkörper zurück auf das Steuerrad. Blitzartig schiesst es mir durch den Kopf: „Der tote Polizist“. Blick auf den Tacho, 997 km. Das hat man mir doch gesagt: "Pass auf !  Kurz vor der Kreuzung hat es drei tote Polizisten". Das sind Betonschwellen, quer über die ganze Strasse, die habe ich voll verschlafen. Solche müsste man im Schritt-Tempo überfahren und ich bin mit 90 kmh drüber hinweg. Meine Kabine sieht aus wie im Krieg. Überall liegen Tonband-Kassetten, Toillettenartikel, Guetzli und Unterwäsche. Ich muss anhalten und aufräumen.

    Die nächsten zwei Schwellen hab ich gesehen und nun bin ich an der Kreuzung, 998,5km, abbiegen nach rechts. Hinter der Kreuzung sind ein paar Hütten, ich weiss nicht ob das ein Dorf ist, sonst weit und breit nichts ist als braune Erde. Bis jetzt bin ich der irakischen Grenze entlanggefahren, aber nun geht’s rechtwinklig ins Landesinnere. Es ist so gegen neun Uhr abends und es hat schon gedämmert. Ich komme gut voran und langsam sieht man die Sterne. Es ist ungewohnt, der Horizont ist nicht mehr sichtbar nur der Sternenhimmel. Am Boden hat es einen leichten Dunst oder vielleicht auch Staub, ich weiss es nicht. Da taucht in der Ferne ein hell erleuchteter Palast auf. Ich bin gespannt, was das wohl ist, mitten in der Wüste. Das Licht will kaum näherkommen und erst nach 50km erkenne ich eine Bretterbude mit einer Girlande und drei FL-Röhren als Beleuchtung. Ich halte an und trinke einen Fruchtsaft. Es ist kurz nach Mitternacht und dies ist zugleich die Kreuzung, wo ich nach links Richtung Ryadh halten muss. Ich bin etwas steif und ungelenkig vom langen sitzen, aber nicht müde, darum fahr ich weiter und kann dann frühmorgens in die Stadt einfahren. Alle 8 Stunden habe ich die Tacho-Scheibe gewechselt und ein anderes Datum eingesetzt. Bin ja drei Tage am Zoll und zwei auf der Fähre stehen geblieben.

    Nun ändert sich die Landschaft langsam. Es gibt leichte Hügel und Täler, auch  einige Wiesen und Felder mit Büschen und Palmen und zwischendurch mal ein Haus und Ziegenherden. Es ist fünf Uhr morgens und es fängt an zu dämmern, die Sonne geht auf und man sieht allmählich die Konturen der Stadt.

    Ich hab eine grobe Skizze vom Büro der Bauleitung für die Baustelle, deren Ware ich geladen habe.

    Ich fahre 3-4 mal den Highway rauf und runter, bis ich die richtige Strasse finde und parkiere am Strassenrand. Dann gehe ich zu Fuss und suche das Büro.

    Die wenigen Frauen, die man draussen sieht, sind schwarz eingehüllt, auch das Gesicht, wenn man Glück hat sieht man durch den Sichtschlitz ein Paar Augen blitzen. Sieht absolut nicht sexy aus. Die andern Fahrer nennen sie nur Kohlensäcke.

     

     

    Zehn Saudi-Rial

    König Faisal Ibn Abd Al Aziz wird am 25. März 1975 von einem seiner Neffen „aus persönlichen Gründen“ ermordet. Sein Halbbruder Chalid Ibn Abd Al Aziz wird neuer König von Saudi-Arabien. Seinen Bruder Fahd bestimmt er zum Kronprinzen. Der Königsmörder wird am 18. Juni öffentlich in Riad enthauptet.

    Im dritten Stock eines Bürohauses, alles in Marmor, steht im Treppenhaus ein Direktorenpult mit einem Saudi dahinter. „ Salam, salam! “ sagte er und ich gebe ihm die Lieferscheine. Er sieht knorrig aus in seinem Schlafanzug und Kopftuch. Er verschwindet ins Büro. Nach einer Viertelstunde kommt ein Deutscher und sagt, er begleite mich zur Baustelle. Von ihm erfahre ich, dass jede ausländische Firma eine bestimmte Anzahl Saudis in der Geschäftsleitung anstellen muss. Am besten solche, die nicht lesen und schreiben können, die verhalten sich ruhig und wissen bei den Sitzungen gar nicht, um was es geht. Sie werden oft als Empfang postiert und gehören einfach zu den Unkosten. Ich fahre Ihm nach und etwas ausserhalb der Stadt ist eine grosse Baustelle, für ein neues Spital. Ich decke die Plache ab und alles wird mit dem Kran abgeladen. Die Bauleute sind sich gewohnt, dass einige Kisten total kaputt sind. Es hat auch Schweizer auf der Baustelle, einer fragt: „Hast Du ein paar Cervelats dabei? Hier gibt es keine richtigen Würste.“ Ich hätte ja schon einen Kühlschrank im Wagen, aber die Saudis flippen aus, wenn sie Schweinefleisch riechen. Auf der Baustelle arbeiten sie wegen der Hitze von vier bis vierzehn Uhr und haben dann Feierabend. Wohnen tun sie in Containerdörfchen, da bin ich froh, wieder einzusteigen und abzufahren zu können, den gleichen Weg, wie ich gekommen bin.

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

  •