Versuch es, du wirst staunen !
Betrachte diese zwei Bilder, dann halte den Zeigefinger senkrecht in die
Mitte zwischen deiner Nasenspitze und den Bildschirm und konzentriere dich auf den Zeigefinger.
Du wirst nun im Hintergrund drei Bilder sehen.
Konzentriere dich auf das mittlere und du siehst den vordersten Ball aus dem Bildschirm hervorragen.
Die Meditation der Zigeuner
( George Pennington hat ein Buch über die Tafeln von Chartres geschrieben: "Die gnostische Schau des Westens")
1977 veröffentlichte Pierre Derlon ein Buch über bisher geheimgehaltene Traditionen französischer Zigeuner. Darin beschreibt er eine Meditation, in der sechs flächengleiche Tafeln Verwendung finden, zwei runde, zwei auf der Spitze stehende quadratische und zwei rechteckige. Jede der drei Formen ist doppelt und in den Farben rot und blau ausgeführt. Die Zigeuner nennen diese Meditationstafeln "Die Tafeln von Chartres", und in der Tat läßt sich nachweisen, daß der Grundriß der Kathedrale von Chartres genau auf diesen Formen aufbaut ist.
Diese Kathedrale von Chartres, wie Derlon berichtet, war einst das geistige Zentrum der französischen Zigeuner.
Kathedrale von Chartres Grundriss mit den drei Tafeln
Drei Tafeln tragen den Gral:
Eine runde Tafel
eine quadratische Tafel
und eine rechteckige Tafel
Alle drei haben den selben Flächeninhalt;
ihre Zahl lautet: " 21 "
Aus dem Buch: "Die Kraft der Pyramide" von D. MAVAT
Garten der Einweihung, so wie ihn die Zigeuner benutzen.
Welch wunderbares Wissen besassen die Vorfahren der Meister! Wie kommt es bloss dass wir im Laufe der Jahrhunderte so viele schöne und einfache Dinge vergessen konnten? Unwissend, wie wir heute sind, sehen wir in den natürlichen Gegebenheiten magisches, woneben wir gleichzeitig jene Kräfte, die das Natürliche zerstören, als Wissenschaft und Fortschritt bezeichnen.
Pierre Derlon
Für die Meditation werden die Tafeln in zwei Reihen und mit versetzten Farben ausgelegt. Der Meditierende setzt sich davor und betrachtet die Tafeln auf eine Weise, die stark veränderte Bewußtseinszustände hervorruft. Von dieser Betrachtungsweise und ihren psychischen und physiologischen Auswirkungen soll im Folgenden die Rede sein.
Zwei Arten zu "schauen".
Die Meditation mit den Tafeln von Chartres ist aus physiologischer Sicht insofern besonders interessant, als sie eine recht ungewöhnliche Verwendung der Augen beinhaltet. Einerseits gehen die Augen bei der Betrachtung der Tafeln in eine starke Schielstellung, die, wäre sie nicht willkürlich, durchaus als pathologisch zu bezeichnen wäre. Und andererseits findet im Laufe der Betrachtung eine extreme Beruhigung der willkürlichen und unwillkürlichen Augenbewegungen statt, mit der eine deutliche Bewußtseinserweiterung einher geht. Beide Aspekte sind zum Verständnis der Vorgänge, die durch die Betrachtung der Tafeln ausgelöst werden, gleichermaßen wichtig.
Das Schielen
Der Betrachter der Tafeln hat zwei Reihen zu je drei Tafeln vor sich
liegen. Die Anordnung der Tafeln und ihre Farben (rot und blau) Der Betrachter bringt seine Augen in eine leichte Schielstellung, so daß er von der vor ihm liegenden Anordnung ein Doppelbild
erhält: anstatt zwei Reihen von Tafeln sieht er vier. Wenn er die Schielstellung seiner Augen noch etwas verstärkt, kann er die inneren zwei Reihen derart zur Deckung bringen, daß anstelle der
vier Reihen nur noch drei zu sehen sind. Wobei die mittlere Reihe zu einem Teil vom linken und zum anderen Teil vom rechten Gesichtsfeld gesehen wird.
Der Übergang vom "normalen" sehen zum binokularen schauen zum Schielen setzt eine gewisse Entspannungsfähigkeit voraus, die nicht bei jedermann in gleichem Maße gegeben ist. Wer sie hat, wird
beobachten können, daß während des ganzen Vorganges die Augen die ursprüngliche Scharfstellung der Augen auf die Tafeln erhalten bleibt: das mittlere, durch die Schielstellung entstandene Bild
erscheint ebenso randscharf wie die ursprünglichen Tafeln, obwohl sich der Winkel der Sehachsen zueinander verändert hat, so als läge der betrachtete Gegenstand viel näher an den Augen. Es
scheint, daß gekoppelte Akkomodationsmechanismen von einander getrennt werden, eine Erfahrung die von Anfängern in der Regel als interessant und aufschlußreich erlebt wird.
Gelingt es dem Betrachter, unter Beibehaltung der ursprünglichen Fokussierung die Augen in die Schielstellung zu bringen, so erscheint ihm das mittlere Bild, das ja als einziges binokular gesehen wird, klarer und realer als die beiden äußeren.
Der "weiche Blick"
Für den zweiten Aspekt des Schauens hat sich in der Praxis die Bezeichnung "weicher Blick" eingebürgert (G.Pennington 1981).Er beinhaltet ein "Nicht-vereinnahmenlassens" der Aufmerksamkeit des Betrachters durch seine visuellen Erlebnisse mit den Tafeln. Während der Blick auf die Tafeln gerichtet ist, bleibt die Aufmerksamkeit offen für alle möglichen anderen sensorischen Reize: visuelle (aus der Peripherie des Gesichtskreises), akustische und körperliche Wahrnehmungen, die nicht unmittelbar mit der Betrachtung der Tafeln zu tun haben, werden nicht ausgeschlossen, sondern ganz bewußt parallel zum visuellen Erleben mit den Tafeln aufgenommen. Der Betrachter lernt sehr schnell, zwischen der Betrachtung der Tafeln und der Instanz "Aufmerksamkeit" zu unterscheiden. Er nimmt diese zwei Aspekte seiner Wahrnehmung als getrennt bzw. trennbare Funktionen differenzierter wahr als gewöhnlich. Das führt zu einer deutlichen Entkrampfung im Bereich der Augen und zu einer Gelassenheit, die in der Regel als wohltuend von manchen aber (zunächst) als beängstigend empfunden wird.
Diese Entkrampfung ist eine Grundvoraussetzung für die korrekte – schielende Betrachtung der Tafeln. Der weiche Blick bringt bei den meisten Anfängern eine erstaunliche Beruhigung der sakkadischen Augenbewegungen mit sich. In fortgeschrittenen Stadien der Betrachtung der Tafeln ruhen die Augen meist völlig regungslos auf der mittleren Tafelreihe. Die Aufmerksamkeit die sich inzwischen gleichmäßig über das gesamte Sensorium verteilt hat (weicher Blick),wird als eigentlich erlebende Instanz empfunden. Auch Gedanken und geistige Bilder können auf diese Weise ruhig betrachtet werden, ohne daß sie den Betrachter ihrerseits vereinnahmen. Die Ruhigstellung der Augen und die Erweiterung der Aufmerksamkeit auf die sensorische Peripherie ist nicht für jedermann leicht zu erreichen. Bei sehr nervösen Menschen Kann es zu einer Krise kommen, in der die Sakkaden zunächst extrem zunehmen, bevor Ruhe einkehrt. Auch katharische Entladungen sind dabei keine Seltenheit. In der Regel hat derjenige der eine solche Krise erlebt, jedoch wenig Schwierigkeiten, die seelische Grundlage der Krise zu verstehen und versteht sich danach nicht selten wie erlöst.
Das Zusammenwirken von Schielen und weichem Blick
Die Erweiterung der bewußten Aufmerksamkeit auf das gesamte sensorische Geschehen wie auch auf die geistigen Prozesse im Weichen Blick wirk äußerst desorientierend.
Es handelt sich zweifellos um einen hypnotischen Zustand, der dadurch gekennzeichnet ist, daß kein geistiger "point of focus" mehr gegeben ist. Es wäre ein leichtes dabei einzuschlafen, wären da nicht noch die Tafeln, die der so erweiterten Aufmerksamkeit einen Halt, eine Mitte geben.
Dieses Prinzip der Desorientierung spielt in allen uns bekannten Meditationsformen eine zentrale Rolle und man kann auch beobachten, daß bei all diesen Techniken eine solche Mitte, ein Anker wie wir ihn nennen, eine zentrale Rolle spielt, sei durch beobachten oder zählen der Atemzüge, durch Wiederholungen bestimmter laute oder Worte, durch Bewegungen, bestimmte Sitzhaltungen oder sonstige Techniken. Immer wird dem Meditierenden etwas an die Hand gegeben, das einerseits seine (hypnotische Desorientierung fördert und ihn andererseits inmitten dieser Desorientierung wach hält.
Das besondere an den Tafeln von Chartres ist, daß es sich bei ihnen um einen visuellen Anker handelt.
Der Umstand, daß der Blick des Betrachters auf einem Bild ruht, das zur einen Hälfte vom linken und zur anderen Hälfte vom dem rechten Gesichtsfeld gesehen wird, bringt wertvolle Aufschlüsse über Lateralitätsprobleme und deren Behebung. Da das linke visuelle Halbfeld mit der rechten Hemisphäre das rechte Halbfeld mit der linken Hemisphäre verbunden ist, gibt die Farbtönung des mittleren, virtuellen Bildes einen Hinweis auf das relative Überwiegen der einen oder anderen Seite (laterale Dominanz).
Pierre Derlon,
der selber kein Zigeuner ist, wurde infolge ausserordentlicher Ereignisse, die in diesem Buch ausführlich beschrieben werden, von Zigeunern aufgenommen. Und die letzten ihrer Zauberer — die Kakus — haben ihn Schritt für Schritt in ihre geheime Welt eingeführt.
Innerhalb einer Gesellschaft, die alles, was andersartig ist, verfolgt und zu vernichten sucht, wussten sich die Kakus zum Untergang verurteilt und wählten, da sie selber meist Analphabeten sind, Derlon zum Sprachrohr und Vermittler, um der Welt auf diese Weise einen Einblick in einen grossen Teil ihrer magischen und okkulten Traditionen zu gewähren.
So wurde Derlon im Laufe der Jahre von Magiern, Hexern und Zauberern der verschiedensten Zigeunerstämme in zum Teil bis heute geheim gehaltene Praktiken eingeweiht, was diesem Buch den Charakter eines einzigartigen Dokumentes verleiht. Es berichtet von bisher unbekannten Techniken der Hellseherei, Hypnose, des Magnetismus, des Gedankenlesens usw., wobei sich interessante Vergleiche zu den Schamanen-Techniken der Indianer oder Mongolen und selbst zu den «Lehren des Don Juan» ergeben.
Pierre Derlon gibt nicht vor, das Thema erschöpfend dargestellt zu haben. Er sagt, was er sagen kann und darf, doch schon dies ist aussergewöhnlich.
Der Türkis der Zigeuner
Pietro Hartiss, der Zigeuner-Weise, gab Pierre Derlon, seinem Schüler, die Anweisung einen Türkis auszuwählen, um mit dessen Kräften ein Mädchen zu heilen.
Auszug aus dem Buch :
„Heiler und Hexer“
Die überlieferte Medizin der Fahrenden
Die Finger meiner Hand kneten und rollen matt und ohne Überzeugung eine Handvoll roher Türkise in der Tasche. Es ist Feierabend. In den Gängen der Metro hasten Menschen um mich herum, die ihre Sehnsucht hinter dem Alltagstrott hertragen.
Mein Gott, wie traurig erscheint der Blick eines Menschen, auf dem die Sehnsucht nach unbestimmbaren Dingen lastet! Zwischen meinen Fingern rollen die Steine. Und, in dem Unbekannten eines gebrochenen Minerals, treffen meine Finger eine Wahl. Zwischen Daumen und Mittelfinger bewegt sich jetzt ein Stein, dessen eckige Form die Sensibilität meiner Hand erregt hat.
Auf einmal fangt dieser Stein zu leben an.
Zwischen all den anderen ist er derjenige, den ich fühle. Haltestelle Opera. Der Asphalt des Bahnsteigs verschluckt meine Schritte. Ich halte inne. Mit dem Rücken lehne ich an die gekachelten Wände und hole den Türkis aus dem Haufen seiner Brüder hervor. Nun entdecke ich ihn allein im Inneren meiner Handfläche. Was für eine seltsame Konstruktion,..
Diesen Tag, von dem ich spreche, hat es tatsächlich gegeben. Er hat seine Spuren in der Zeit hinterlassen. Ja. An jenem Tage in Paris holte ein Mann, ein Unbekannter, in der Metro, Station Opera, einen rohen Türkis von fünfzehn Gramm aus seiner Tasche. Und dieser Türkis erscheint ihm in seiner hohlen Hand so, als ob er leben würde. Eine befremdende Wahrnehmung lahmt ihm das Handgelenk. Aber er hat keine Angst. Er hat an der Place de la Bastille mit seinem Meister ein Treffen.
Ich sage dir, er hat keine Angst! Denn das Befremdende ist sein Los. In seiner hohlen Hand wird der Türkis schwerer.
Das ist ein Traum. Bestimmt ist es ein Traum - oder eine Halluzination. Nichts ausser Traum oder Einbildung kann den Stein in meiner Hand schwerer werden lassen.
Aber was zum Teufel mache ich hier auf dem Métrogang, wenn mich der Alte an der Bastille erwartet?
Ich lasse den Stein zurück in meine Tasche gleiten und quetsche mich durch die Doppeltüren des ersten Wagens, der schon mit Menschen vollgestopft ist.
Endlich gelangen wir zur Bastille. Natürlich habe ich den falschen Ausgang benutzt. Den Alten finde ich auf der Terrasse des «Tambour», wo er es sich bequem gemacht hat. Er beobachtet mein Kommen, den Hut auf die Stirn heruntergezogen. Da ist jenes Lachen, das ich so gut kenne.
«Also, mein Kleiner, gehts gut'.'»
Pietro Hartiss, Hexer und Lehrer von Pierre Derlon
«Ich habe die Steine, mein Phral. Ich habe es so gemacht, wie du es gesagt hast.« «Ja und?»
«Ich habe einen schweren Stein gefunden.» «Einen wirklich schweren?»
«Ich glaube schon. Und dann ist mir ganz heiss geworden. Sogar jetzt ist mir noch warm.» «Er war schwer und es wurde dir heiss?» «Wenn ich es dir sage!»
«Lass sehen», sagt er unvermittelt und nimmt seinen Hut ab. Er legt ihn umgekehrt auf seine Knie. Die weissen Haare umrahmen sein Gesicht wie eine ungewöhnliche Schatulle. Niemals nimmt Pietro seinen Hut ab. Wenn ich richtig nachdenke, so ist es das erste Mal, dass er es vor Gadschos ( Nicht-Zigeuner ) tut. Ich begreife sofort, dass diese Geste Teil eines Ganzen ist, das ich nicht kenne; eine wichtige Konstruktion. Niemals entblösst sich ein Kaku ( Stammes-Oberhaupt ), vor Fremden. Nur die Enkel seines Stammes, seiner Familie, dürfen mit dem Haar des Alten spielen.
«Leere deine Taschen», befiehlt er.
Ich gehorche. Die kleinen Steine befinden sich sofort in der Tiefe seines Hutes. «Wie bei der Lotterie», sage ich.
«Nein, kleiner Dummkopf. Nur um die Kraft zu messen, die die Fähigkeit gibt, das Leben zu erlangen und zu schenken.»
Ich schweige. Ich betrachte seine Hand. Sie scheint in dem Hut mit den Steinen ein Ballett aufzuführen. Seine Finger umspielen Stein um Stein. Plötzlich sagt er:
«Der ist es.» Ich erkenne ihn in seiner hohlen Hand wieder. Ja, er ist es!
«Wird dir warm?» frage ich.
«Nein.»
«Wird dir schwer?»
«Nein.»
«Warum ergeht es dir nicht so wie mir?»
«Weil er dich ausgesucht hat. Du bist sein animalisches Gegenstück.»
«Sein animalisches Gegenstück?»
«Ja, genau. Das Gegenteil dessen, was er auf mineralischem Gebiet ist.»
«Ich verstehe absolut nichts», erwidere ich.
«Warum versuchst du immer zu verstehen? Überlasse die Entdeckungen denen, deren Aufgabe hauptsächlich darin besteht zu entdecken. Begnüge dich mit dem, was du verwirklichen kannst, und nimm es an. Wenn nicht, so wird dir die Freude durch das Loch der Langeweile aus dem Herzen weichen, und deine Hände werden nie wieder Sonnen für diejenigen sein, in deren Seele und Herz die Kälte wohnt.»
«Ich möchte wissen, warum dieser verflixte Türkis in meiner Hand schwerer wurde, obwohl du nichts gefühlt hast. Das möchte ich wissen, Pepe.»
«Nur das?»
«Nur das. Ich schwöre es dir.»
«Dummkopf, das ist ganz einfach.»
«Ganz einfach?»
«Natürlich! Hör zu: Wenn du dich ernährst, wird dein Körper von der Nahrung, die du aufgenommen hast, schwerer. Ist diese verdaut, so findet dein Körper sein Erstgewicht wieder.»
«Das, Pietro, das ist normal!»
«Natürlich ist das normal, kleiner Spinner, öffne jetzt deine Hand und nimm ihn, diesen verflixten Türkis, wie du sagst. Warte, dass dir wieder heiss und schwer wird.»
Der Edelstein scheint mich zu verhöhnen. Er liegt wie ein normaler Kiesel in meiner Hand.
«Man könnte glauben, er sei ein Stück Rollsplitt», bemerke ich. «Nichts passiert, nichts.»
«Und dennoch, mein Sohn», erklärt Pietro, indem er meine Hand in die seine nimmt, «ob du es willst oder nicht: dieser Stein hat sich durch dich genährt. Er ist Sonne geworden. Eine Sonne, die für dich zu besitzen notwendig sein wird, um diesem Mädchen die verlorene Jugend zurückzugeben. Ohne den Türkis kannst du nichts vollbringen. Mit ihm kannst du wagen und gewinnen. Ich sage wagen, weil alles von ihm und dir abhängt.»
«...»
«Ich will sagen, von deinem Magnetismus und seiner Speicherung, die der Türkis bewirkt. Merke dir eines: dieser Stein ist der einzige, der fähig ist, deinen Magnetismus aufzusaugen, sich davon zu ernähren, um dann seine eigenen Kräfte geben zu können. Mein Kleiner, hör mir zu, du wirst verstehen...»
Der Hundesohn! Er hat alle meine Türkise genommen und sie tief in seine Taschen gestopft. Mit einer Hand setzt er seinen Hut wieder auf.
«Sie gefallen dir wohl, meine Steine? Weisst du, es ist nicht einfach, sie zu finden.»
«Was kann dir das schon ausmachen? Du besitzest doch das, was du brauchst. Der Mensch ist von allen Tieren das einzige, das mehr isst, als seinem Hunger entspricht. In diesem Haufen gibt es vielleicht noch einen oder zwei, die in meiner hohlen Hand schwer wiegen werden.»
Ach, neben seinem Lächeln sind Worte nichts. Ich wünsche -leider aber weiss ich, dass es unmöglich ist - jedem Menschen zumindest einmal im Leben ein solches Lächeln. Es bedarf nur eines einzigen Lächelns dieser Art, um die Zeiten der Verzweiflung auszufüllen. Ich, der ich das Vorrecht hatte, mehrere dieser Lächeln von verschiedenen Menschen zu empfangen, ich glaube, dass es dieses Vorrecht war, das mich mit innerem Einklang bescherte und mir so die Tür zu aussergewöhnlichen Wahrnehmungen öffnete, die ich durch besondere Menschen erlebte. Vielleicht ist es deswegen, weil ich im Alter von neunzehn Jahren dem ersten dieses Lächeln begegnet bin, dass mich die Lebensfreude seither nie mehr verlassen hat. Dies trotz dem Elend und dem Hunger, trotz der Kälte und dem, was einige von euch als Einsamkeit bezeichnen.
Sara la Kali
Die Legende behauptet, dass kurz nach dem Tod von Jesus die drei Marien, Maria Magdalena, Maria-Kleophae (die Mutter von Jakobus dem Jüngeren) und Maria-Salome (die Mutter der Apostel Jakobus und Johannes), durch die Juden ohne Proviant und Ruder in ein Boot gejagt wurden . Sie waren von ihrer Dienerin Sara, von Joseph von Arimathia, von Lazarus und von Trophimus begleitet. Wie durch ein Wunder landete das Schiffchen auf einem sandigen Strand in der Nähe der Rhone-Mündung; heute sind die Saintes-Maries-de-la-Mer ein katholischer Wallfahrtsort und ein Treffpunkt der Zigeuner.
Die Verehrung der Fahrenden bezieht sich aber nicht auf die Marien, sondern merkwürdigerweise auf deren Dienerin, auf Sara, die Ägypterin, Sari la Kali, Sara die Schwarze. Ihre Statue befindet sich in der Krypta der Kirche, zu welcher die Gadschos bis zum Jahre 1912 keinen Zugang hatten. Die Nacht vom 24. auf den 25. Mai pflegten die Zigeuner dort unten zu verbringen. Sie brachten der Kerzen dar und behängten den blauen Rock der Statue mit Blumen, Spitzen, Geschmeide und verschiedenen Amuletten.
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Das okkulte Paar
Auszug aus dem Buch: "Unter Hexern und Zauberern"
Unter all den sexuellen Praktiken der Zigeuner gibt es eine, die für die Begegnung eines Mannes und einer Frau bestimmt ist, die beide übernatürliche Kräfte besitzen.
Sie bilden ein zeitlich befristetes okkultes Paar; und das Ziel ihrer Vereinigung ist die Erhöhung der Kräfte, gewissermassen eine Gärung der psychischen Energien, die zwar in uns allen latent vorhanden sind, von einigen Eingeweihten aber aktiviert werden können. Die beiden Beteiligten müssen die Handlung zwischen Sonnenaufgang und -Untergang vollziehen, und dies zu einer bestimmten Zeit innerhalb des Jahresablaufs, die mit dem richtigen Mondzyklus zusammenfällt. Es kann vorkommen, dass sich der Mann und die Frau begegnen, aber zehn bis elf Monate warten müssen, bevor die Vereinigung stattfinden kann. Es ist natürlich eine sexuelle Vereinigung, die aber nur fördernd sein kann, wenn vorher das entsprechende geheime Ritual abgehalten wurde.
Dieses Heiratsritual ist sehr eigenartig, seine Herkunft scheint magischen Ursprungs zu sein. Sowenig eine Messe ohne Gegenstände und Nahrung - - stattfinden kann, sowenig kann das betreffende Paar seine Ehe ohne Brot und Wein vollziehen.
Das Ritual lässt sich in drei Teile gliedern:
die psychische Vorbereitung,
die Mahlzeit,
die geschlechtliche Vereinigung.
Bild 15
Für die psychische Vorbereitung werden drei verschieden geschnittene Äpfel verwendet. Diese Früchte werden aufgrund ihres Schnittbildes gelesen. Auf Bild 15 ist der oberste Apfel horizontal entzweigeschnitten worden. Man sieht, dass die Natur einen fünfstrahligen Stern auf die Schnittflächen hat - den Stern der Erkenntnis.
Der mittlere Apfel wurde in der Senkrechten durchschnitten und stellt ein Bild des Paares dar.
Die Hälfte mit dem Stiel zeigt den Mann, oder vielmehr sein Geschlecht und seine Hoden (links und rechts vom Kerngehäuse).
Auf der anderen Hälfte können wir die weiblichen Genitalien mit den Eierstöcken, dem Uterus, der Scheide sowie die äussere Form der Gesässbacken usw. erkennen.
Der dritte Apfel wurde so kunstvoll durchschnitten, dass sich die beiden Teile wieder zusammenfügen lassen und man mit dem Apfel wie mit einem Ball spielen kann. Die drei Äpfel stellen also einmal den Geist (Stern), dann den physischen Körper und als drittes dasjenige Element dar, das die beiden miteinander verbindet: das .
Der Apfel an sich ist ein sexuelles Symbol, der Beischlaf wird als Nahrung betrachtet, und die Zigeuner sagen:
Eines Tages werde ich dir begegnen
und du wirst mich sehen,
und wenn du mich gesehen hast,
wirst du mich essen,
denn ich bin Nahrung.
Dieses Vorspiel zum Festmahl - dieses Hors-d'oeuvre - wird nicht irgendwie eingenommen. Es gibt einen , der den geschlechtlichen Akt einleitet und abschliesst.
Es ist die Zauberin, die
dem Zauberer die Früchte bringt, während er sie zubereitet und seiner Gefährtin anbietet. Die Kunst besteht darin, sie richtig anzubeissen. Ein einziger Biss muss ausreichen, um die innere Frucht
zu zerstören.
Bei der untersten Frucht muss man anders vorgehen: jeder der beiden nimmt einen kleinen Bissen, dann wird der Apfel wieder zusammengesetzt und von den beiden Beteiligten restlos aufgegessen,
wobei sie abwechslungsweise hineinbeissen, bis nichts mehr übrig bleibt.
Der auf dem Bild zuoberst abgebildete Apfel heisst und wird erst verspeist, nachdem die sexuelle Vereinigung stattgefunden hat, und nur, wenn das Paar die Lebensfülle gefunden hat.
Ich bin deine Nahrung,
du bist meine Nahrung,
wir sind Lebensspeise.
Wir kommen nun zum Ritual der psychischen Hochzeit. Zunächst sind die sieben notwendigen Hilfsmittel aufzuzählen:
ein Strauss Hahnenfedern,
eine neue Wachskerze,
zwei Tauben,
Weissdorn,
Stechginsterzweige,
ein Glas Wein und
ein Körbchen Brot.
Die Hahnenfedern schützen den Zigeuner vor Behexung, bei den Katholiken ist es das Weihwasser. Die Kerzenflamme bedeutet für die Zigeuner etwa dasselbe, was für den Christen der heilige Geist bedeutet, nur das Symbol ist verschieden. Und wenn für uns die Taube das Sinnbild des heiligen Geistes und des Friedens ist, so stellt sie für den Zigeuner die Verkörperung des Tötens, des Blutes und des Wahnsinns dar. Daher wird das okkulte Paar die beiden Tauben durch Mord und Blutvergiessen umbringen: jeder von ihnen wird eine Schnur mit einer Gleitschlinge um den Hals gelegt; dann werden zwei sich gegenüberliegende Äste eines Baums ausgewählt. Die Tauben werden darauf gesetzt, wobei die beiden Schnurenden jeweils an den Ast festgebunden werden, dann wartet man ab. Die Taube, die zuerst wegfliegt, wird erhängt, die zweite wird mit einer Axt geköpft, nach der seit dem fernen Altertum gebräuchlichen Hinrichtungsart. Dann muss der rechte Flügel des Weibchens und der linke Flügel des Männchens entfernt werden. Anschliessend werden die beiden Tauben zum Essen zubereitet, aber bevor die beiden sie verzehren, opfern sie Brot und Wem. Jeder der beiden Tischgenossen muss das Tier des ihm entgegen gesetzten Geschlechts wählen. Der Tisch wird wie ein Altar gedeckt: die Flügel der beiden geopferten Vögel ruhen auf einem Bett von Weissdorn und Stechginster, den < Blumen, die sich verteidigen, wenn man sie pflückt». Diese Abwehrsymbolik wird durch die Hahnenfedern, die Zeichen der Kraft sind, noch verstärkt. Das Feuer, dessen Flamme sich von reinem, neuem Wachs nährt, bringt ihnen Licht, das Symbol der Hellsichtigkeit.
Während der Mahlzeit werden die beiden Verlobten nicht sprechen, sie schauen sich nur an; beide kennen die Wissenschaft des Blicks und werden sich zunächst nur psychisch besitzen, durch eine Art Augenpaarung. Das Spiel ist gefährlich, denn sie besitzen beide die Fähigkeit, gegenseitig in ihre Gedanken einzutauchen, so dass die auftretende Erregung Herzanfälle hervorrufen kann.
Die letzte Phase dieser okkulten Hochzeit ist der sexuelle Akt selbst. Er folgt genauen Vorschriften, die mit denen des Yoga, vor allem des Tantra-Yoga verwandt sind, in dem der Koitus als (physischer Träger der Konzentration vollzogen wird. Wahrscheinlich haben die Zigeuner dieses Wissen aus Indien mitgebracht. Man muss allerdings festhalten, dass, auch wenn die Technik ziemlich genau die selbe ist, wie die früher im Orient angewandte, das Ziel, das verfolgt wird, in einer anderen Richtung liegt. Für den Zigeuner ist die okkulte Paarung ein Mittel, um seine psychischen Fähigkeiten zu steigern; der Yogi betrachtet dies als nützlich, jedoch als zweitrangig. Sein Bestreben ist vor allem die Befreiung.
Während der Vereinigung ist die Stellung des okkulten Paares ausschlaggebend. Es ist kein Zufall, dass sie im Kama-Sutra beschrieben wird und auf den Fassaden der Hindu-Tempel anzutreffen ist. Beachten wir, dass die Vereinigung nicht durch fleischliche Begierden gesteuert werden darf, und dass die Beteiligten beinahe Zuschauer ihres eigenen Tuns sind, ruhig und konzentriert. Jede Leidenschaft wird in Schach gehalten. In keiner Bewegung gibt es irgendwelche Hast, ganz im Gegenteil, alle Muskeln sowie die Atmung werden vollkommen kontrolliert. Wir sind also weit entfernt von irgendeiner sexuellen Akrobatik. Für die Weisen und die Weisen kennen keine Pornographie, gehört die Erotik nicht notwendigerweise zum Geschlechtsakt, sie ist vielmehr ein Gewürz, das die Nahrung aufwertet. Ohne Nahrung kann der Mensch nicht leben. Das Salz verleiht dem Unentbehrlichen einen erfreulichen Geschmack, und Vergnügen kann nicht schaden, sofern es dazu dient, das Natürliche zu erhöhen.
Dieser besondere Koitus verlangt von beiden Partnern vollkommene Beherrschung. Um ihn richtig zu vollziehen, müssen beide Partner die Kraft des Blicks, des Gedankenlesens sowie die Herrschaft über das Feuer besitzen, denn diese Fähigkeiten sind notwendig, um den sexuellen Instinkt zu beherrschen. Beide Partner müssen vollkommen nackt sein: kein Kleidungsstück, kein Schmuck, und bei der Frau auch keine Schminke oder rote Lippen und Nägel. Wie am Tage der Geburt soll der Körper von jeglichem Beiwerk befreit sein. Auch die Wahl des Ortes ist wichtig, er sollte einem Feenkreis ähnlich sein. Das ist eine Waldlichtung, wie man sie gelegentlich antreffen kann und die kreisförmig und mit wilden Gräsern bewachsen ist. Der Mann muss soweit wie irgend möglich den Boden berühren. Der Nacken, das Rückgrat und die Fersen müssen mit der Erde eins sein. Während der Vereinigung mit dem Partner unternimmt die Frau dagegen ihr Möglichstes, um jegliche Berührung mit dem Boden zu vermeiden; so dass sie praktisch vom Mann getragen wird. Beide fixieren mit ihrem Blick die Sterne. Sobald ihre Hände ineinander verschränkt sind, dürfen sich die Körper nicht mehr bewegen. Ihre Atmung muss durch Handdruck gleichgeschaltet werden. Vergessen wir nicht, dass die Hände und das Geschlecht beim Magnetiseur Kanäle zur Ausbreitung seines magnetischen Fluidums sind. Dieser Druck der Hände gegeneinander lässt alle Muskeln des Körners spielen. Für den Mann besteht die Kunst darin, den Orgasmus unter äusserster Willensanspannung so lange wie möglich hinauszuschieben; mit Hilfe von Ruhepausen, und mittels bestimmter Muskelanspannungen. Die Frau verhält sich so, dass sie gleichzeitig vom physischen Körper ihres Partners wie vom Wunsch nach vollkommener körperlicher und psychischer Sättigung getragen wird.
Wir bemerken auf dem Bild auch die unterschiedliche Haltung der Gesichter bei den drei Stellungen. Dieses seltsame richtet sich nach der transversalen Achse des Sonnenaufgangs und Untergangs. Der nackte Rücken, den der Mann auf den Boden presst, sucht nur nach der Schlange des Lebens, das heisst, er versucht, mit den Erdströmen in Verbindung zu treten. Dass die Gesichter einmal in Richtung Sonnenaufgang, dann in Richtung Sonnenuntergang schauen, ist notwendig, weil dadurch eine Zeitwahrnehmung ermöglicht wird. Der Blick, der das Himmelsgewölbe fixiert, bringt die Körper dagegen in eine Art senkrechtes Gleichgewicht, der die Waagrechte ausgleicht, die durch den Rücken des Mannes gebildet wird. Dieser Ausgleich der Gegensätze dauert etwa zwei bis fünf Stunden. Die Frau wird vollkommen erschöpft, und die Rückkehr zu den normalen Lebensgewohnheiten kann meist erst nach Ablauf eines Mondes erfolgen. Für die Dauer einer Woche bleiben die beiden Beteiligten in einem Zustand aussergewöhnlicher Klarheit. Nachdem die okkulte Hochzeit einmal vollzogen worden ist, trennen sie sich, um sich nie mehr wieder zu sehen.